Lydie Auvray & Auvrettes: Pure, 24. März 06

Ascheberg - Schifferklavier ist die nette, Quetschkommode die weniger nette Bezeichnung für das Akkordeon. Und während es in Deutschland viele lange Jahre bei Kindergartenfesten oder auf der Reeperbahn nachts um halb drei spielte, so ersetzte es bei unseren Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins ein ganzes Orchester, spielte zum samstäglichen Tanz auf in den Vorstädten bei den so genannten bals populaires oder in den Ausflugskneipen, den Guingettes. Hier untermalte es den Musette-Walzer oder die ebenfalls dreivierteltaktige Java.

Diesem "Klavier der Armen" hat die Musikerin Lydie Auvray nicht nur ein Chanson geschrieben, seit mittlerweile fast 30 Jahren und 16 Alben "lebt" die gebürtige Normannin ihr Instrument. Dies war zu erleben am vergangenen Freitag bei einem Konzert, dass Lydie Auvray zusammen mit ihrer Band, den Auvrettes, auf Einladung des Ascheberger Kunst- und Kulturvereins in der Aula der Theodor-Fontane-Schule gab.

Mal sang sie mit verschlossenen Augen mit ihrem Instrument mit, mal tänzelte sie über die Bühne, stampfte mit dem Fuß den Takt, dann drehte sie sich ihren Musikern zu und feuerte sie zu weiteren Höchstleistungen an.

Jeder ihrer Musiker - Harald Heinl (Schlagzeug), Wolf Mayer (Keyboards, Gesang), Thomas Tschechner (Bass) und Markus Tiedemann (Gitarren, Gesang) - ein stiller Star am jeweiligen Instrument, virtuos, präzise auf den Punkt da, den vieren merkte der Besucher den Spaß an, auch einmal ein wenig aus dem Schema auszubrechen und zu improvisieren. Szenenapplaus war ihnen in der fast ausverkauften Aula sicher.

Natürlich stand die groß gewachsene Blondine mit dem Wuschelhaaren bei jedem Stück im Mittelpunkt, sie war der Dreh- und Angelpunkt. Die Französin gab kurze Erklärungen zu ihren Liedern auf Deutsch (eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die man nicht erwähnen müsste, gäbe es nicht so viele schlechte Gegenbeispiele), ließ dabei eine pfiffige Entertainerin aufblitzen.

Lydie Auvray klebt das Etikett "Weltmusik" nicht vorne auf ihrem zehn Kilo schweren Instrument, sie spielt sie, vermischt die Heiterkeit des Walzers, mit der Leidenschaft des Tangos und der Leichtigkeit der karibischen Rhythmen. Seit 1988, so erzählte sie, ist die Insel Martinique ihre dritte Heimat, hat eine mittlerweile 13 Jahre alte Tochter Cannelle, der sie viele ihrer Lieder widmet.

Zwar ließ sich der Westfale als Zuschauer nur schwer dazu bewegen, sich im Takt zu bewegen, mit zu wippen, doch er forderte von den fünf Musikern vier Zugaben, die er auch bekam. Kann es einen Ausdruck größerer Begeisterung geben?

(Ruhr Nachrichten)

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